Pressestimmen

Auszug

„Pfaundler ist gewohnt sensibel im Vortrag (...). Wie er auch schon in seinem letzten Film „Schottentor“ mit größtmöglicher Präzision versucht hat, existenzielle Nöte einzufangen, gelingt ihm das auch hier vortrefflich.“ Matthias Greuling, Wiener Zeitung

„...Regisseur Pfaundler präsentiert mit „Gehen am Strand“ eine bewegende Charakterstudie, die gerade deshalb so erschüttert, weil man sich zu Beginn so sehr mit der Protagonistin identifizieren kann... mit perfekt sitzenden Bildkompositionen umrahmt der Regisseur die Verzweiflung, die mit der Selbstisolation einhergeht... „Gehen am Strand“ ist ein verstörender, beeindruckender Film...“ Sonja Neufeld, ORF.at

„...Gehen am Strand beschreibt seine stille Heldin und ihren Zustand sehr präzise... man sieht Wien - und sieht es noch einmal neu....“ Isabella Reicher, Der Standard

„...Elisabeth Umlauft zeichnet in ihrer ersten Filmrolle das Porträt einer zutiefst einsamen Frau in einer derartigen Farbenpracht, dass einem das Popcorn im Hals stecken bleibt...“ Kurier.at

„...Ein sensibler Film über ein Dilemma, das vielen bekannt sein dürfte...“ kleinezeitung.at

"Caspar Pfaundlers bisher reichster, stimmigster Film... ein toller Wien Film... hinreißend: Elisabeth Umlauft..."
Michael Omasta, Falter (2015)

"Ein stiller Film, der lange nachwirkt, von einem Regisseur, der es wunderbar versteht, Stimmungen und innere Gefühlszustände in Bilder umzusetzen."
wieninternational.at (2015)

„Caspar Pfaundlers Kino ist spröde, ohne zu langweilen, es ist nüchtern, aber nicht sachlich, es ist minimalistisch, aber dennoch weit verzweigt.“
Matthias Greuling, Wiener Zeitung 2015



Gehen am Strand - Zu sehen im Votiv-Kino.

Der Autor und Regisseur Caspar Pfaundler („Lost and Found“, 2002; „Schottentor“, 2009) gehört zu Österreichs unterschätzten Filmemachern, was auch daran liegt, dass er für ein eher introvertiertes, melancholisches Kino steht, das er zudem mit sehr geringen Budgets realisiert. Pfaundlers jüngster, von Peter Roehsler erstklassig fotografierter Film „Gehen am Strand“ handelt
von einer Reise, die tief ins Existenzielle reicht: Eine psychisch angeschlagene junge Wienerin (Elisabeth Umlauft) kontaktiert in der Fremde, an einem Ort am Meer, ihren Vater (Karl Fischer), der sie vor Jahren, als sie noch ein Kind war, verlassen hat. Eine Filmerzählung von stiller Größe.
Stefan Grissemann

profil Nr.19, 4.Mai 2015

Peripathetisches Kino aus Wien: „Gehen am Strand“

Einmal steht sie am Fenster, dann auf einer Brücke über dem Donaukanal. Wiederholt gähnt Anja ein Abgrund entgegen. Mit ihrer Diplomarbeit kommt sie ebenso wenig voran wie mit Paul, weil der auch nichts von ihr will. So umständlich die Tür zu ihrer Wohnung versperrt ist so sperrt Anja sich gegen die Erwartungen ihrer Familie. Das ändert sich erst als ihre geliebte Oma stirbt und sie zur Verabschiedung nach Holland fliegen muss. „Gehen am Strand“ ist Caspar Pfaundlers bisher reichster, stimmigster Film: das Porträt einer Frau, die ohne Vater aufwuchs und es sich in ihrer Einsamkeit so halbwegs eingerichtet hat (hinreißend: Elisabeth Umlauft in ihrer ersten Hauptrolle). Zugleich ist es ein toller Wien-Film. Unbewusst fühlt man sich dabei an Günter Eichs berühmter Gedichtzeile erinnert: „Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt“

(Falter 18/2015, Michael Omasta)


Erfolgsformeln gelten hier nicht

ISABELLA REICHER/DOMINIK KAMALZADEH, 14. März 2013

Caspar Pfaundler etwa begleitet seine Protagonistin Anja durch einen Sommer, in dem die 28-Jährige eigentlich ihre Diplomarbeit fertigschreiben sollte. Aber Anja (Elisabeth Umlauft) sitzt daheim vor Laptop und sorgsam geordneten Bücher- und Zettelstapeln wie gelähmt, unerklärlich, aber zutiefst verfangen in eigenen Ängsten, unausgesprochenen Wünschen und Anforderungen.

Gehen am Strand beschreibt seine stille Heldin und ihren Zustand sehr präzise, und einen guten Teil dieser Beschreibung gewinnt er aus dem genauen Erfassen von Anjas Routinen in ihrer Lebensumgebung, der Altbauwohnung und dem Grätzel um die Praterstraße, am Donaukanal. Man sieht Wien - und sieht es noch einmal neu. Auch wenn die Geschichte gegen Ende vielleicht ein bisschen zu weit ausholt, behält man diesen schönen Eindruck im Kopf.

(Der Standard, 14.3.2013)



"Gehen am Strand": Bewegung gegen Schreibblockade

Caspar Pfaundlers Spielfilm ist eine reduzierte, aber sehr präzise Studie des Stillstands

Es ist Sommer in Wien, und Anja (Elisabeth Umlauft) plant, endlich ihre Diplomarbeit fertig zu schreiben. Aber sobald sie vor dem Laptop sitzt, geht nichts weiter. Beziehungsweise könnte man jetzt noch schnell etwas Naheliegendes erledigen, Staubsaugen, Schuhe putzen, Gesichtspflege. Aber was – in zart komischem Tonfall gezeichnet – als einfache Prokrastination beginnt, entwickelt bald die dumpfe Schwere einer veritablen Schreibblockade.
Caspar Pfaundlers bereits 2013 entstandener Spielfilm Gehen am Strand ist eine reduzierte, aber sehr präzise Studie dieses unerklärlichen, lastenden Stillstands. Allein das Timing, mit dem er von Beginn an die (Selbst-) Wahrnehmung der Heldin erfasst, ist sehenswert. Mit derselben Genauigkeit, mit der er diese stille, sich immer mehr zurückziehende Protagonistin entwirft, blickt er auch auf deren Lebensraum in der Wiener Leopoldstadt: die abgewohnte Altbauwohnung unterm Dach mit dem roten Festnetztelefon, die Wege über den Donaukanal und zurück, die nächtlichen Streifzüge durch die engen Gassen. Ein Wien-Film mit französischem Gestus gewissermaßen.

(Isabella Reicher, DER STANDARD, 30.4/1.5.2015)


"Gehen am Strand"

Caspar Pfaundler hat dem Zustand des Prokrastinierens seinen dritten Spielfilm gewidmet. "Gehen am Strand" erzählt von der 27-jährigen Studentin Anja, die seit geraumer Zeit "kurz vor der Abgabe" ihrer Diplomarbeit steht und im Angesicht der unlösbar erscheinenden Aufgabe ihr Dasein grundlegend in Frage stellt.

Prokrastination - "das Verschieben bzw. Aufschieben von anstehenden Aufgaben und Tätigkeiten". So steht es im Duden und so kennen es viele Studenten und Menschen aus der Kreativwirtschaft aus leidvoller eigener Erfahrung. Caspar Pfaundler hat diesem Zustand seinen jüngsten Film gewidmet.

Akribisch drapiert die Protagonistin Anja ihre Birnen in der Obstschale, putzt und poliert die Schuhe auf Hochglanz, bedient Staubsauger und Waschmaschine und beobachtet beim nächtlichen Spaziergang stundenlang fremde Menschen in ihren Wohnungen, während die Zettelstöße und Bücherstapel auf dem Arbeitstisch unberührt bleiben. Eine nicht bezahlte Telefonrechnung legt Handy und Internetverbindung lahm, die Kommunikationslosigkeit verstärkt das tagelange Alleinsein und die Lethargie noch zusätzlich.

Lethargie und Sinnsuche
Weder der Pragmatismus der Mutter noch die teuren Therapiesitzungen können Anjas Ablehnung gegen die Erwartungen an sie Einhalt gebieten. Erst das Begräbnis der Großmutter in Holland, die dortige Wiederbegegnung mit Eltern und Geschwistern und das einsame Gehen am Strand bringen notwendige Impulse für eine Veränderung.

Es ist Caspar Pfaundlers dritter Spielfilm nach "Lost & Found" und "Schottentor" und für ihn gleichermaßen der Abschluss einer "Trilogie des Verlorenseins". Die unbeholfene Suche der bald 28-Jährigen nach der Leichtigkeit des Daseins bringt er in langen Einstellungen und teils minutenlanger Stille auf die Leinwand. Die Temporeduktion mag irritieren, für Pfaundler ist das Aufbrechen von Sehgewohnheiten ein Denkanstoß und eine Möglichkeit, zu sich selbst zu finden.

Chronologischer Dreh & improvisierte Dialoge
Dem Film liegt ein detailliertes Drehbuch mit Angaben zu technischen Aspekten, Drehorten und Texten zugrunde. Nur die Schauspieler bekamen es nie zu Gesicht. Er habe ihnen nur kurz vor Drehbeginn die jeweilige Szene vorgelesen oder Anweisungen erteilt, um eine möglichst große Unvoreingenommenheit und Unmittelbarkeit zu erzielen, so der Regisseur. Diese Unmittelbarkeit verlangte allerdings einen chronologischen Dreh und außerdem den Verzicht auf ausgefeilte Dialoge und sprachliche Prägnanz.

"Kein Schauspiel" zum Ziel
In der Hauptrolle debütiert die junge Schauspielerin Elisabeth Umlauft, die Pfaundler bewusst gerade wegen ihrer fehlenden Filmerfahrung besetzte, eine Entscheidung, die ebenfalls dem Wunsch nach Unvoreingenommenheit und möglichst wenig "Schauspiel beim Spiel" geschuldet war.

Neben den Schauspielern, die nicht oder kaum spielen, gehörten ein unauffälliges Filmteam und Drehorte, die nicht als solche ausgeschildert wurden, zu Pfaundlers filmischem Grundkonzept. Keiner der Schauplätze wurde abgesperrt, die Kamera mischte sich einfach unter die anwesenden Menschen, und Pfaundler ließ die so entstandene Spontanität Teil der Dramaturgie werden.

Später Kinostart
Kurze Gesprächsschnipsel zwischen langen Beobachtungen aus der Ferne, Stillleben von verdorrten Pflanzen und faulendem Obst, oder ein Telefon, das auch dann nicht läutet, auch wenn es minutenlang angestarrt wird: Pfaundlers Film verlangt viel Ruhe und Ausdauer von seinem Publikum. Bereits auf der Diagonale 2013 hatte "Gehen am Strand" seine Uraufführung. Dass der Film erst jetzt, mehr als zwei Jahre danach, regulär in die Kinos kommt, erscheint fast wie ein logischer Teil des Gesamtkonzepts.

Oe1 Kulturjournal, 28.4.2015


Gehen am Strand


Der innere Schweinehund ist hingegen etwas, das bei dem neuen Spielfilm des Wiener Regisseurs Caspar Pfaundler eine Rolle spielt. In „Gehen am Strand“ gelingt es der Protagonistin nicht, diesen zu überwinden. Die am Ende ihrer 20er Jahre angelangte Studentin schafft es einfach nicht, ihre Diplomarbeit abzuschließen. Statt der ersehnten Conclusio tauchen vielmehr immer neue Fragen auf. Fragen wie: „Habe ich überhaupt das Richtige studiert?“, „Wer bin ich?“ und „Wie selbstbestimmt bin ich in meinem Leben?“ Antworten erhalten die ZuschauerInnen – ebenso wie die Hauptdarstellerin, die den Film über 100 Minuten trägt – freilich nicht. Müssen sie auch nicht. „Gehen am Strand“ ist einer jener Filme, die unspektakulär mitten im Leben einer Person beginnen und es an einem anderen Punkt fast beiläufig wieder verlassen. Ein Film, der Zeit braucht und von dem man sich, einmal hineingewachsen, wünscht, er möge noch länger weitergehen. Mit langsamen und reduzierten Bildern erzählt Pfaundler die Geschichte eines inneren Widerstands, nimmt die ZuseherInnen mit in die selbstgewählte Isolation einer jungen Frau, die alleine in einer Altbauwohnung versucht, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Dazwischen stehen regelmäßige Ausflüge in die Natur: vom Beserlpark über die Auenlandschaft rund um Wien bis hin zur Weite eines holländischen Strandes. Dort, so scheint es, lässt sich atmen, freier denken und letztendlich auch weitergehen – vielleicht sogar zu sich selbst. Ein stiller Film, der lange nachwirkt, von einem Regisseur, der es wunderbar versteht, Stimmungen und innere Gefühlszustände in Bilder umzusetzen.

wieninternational. at



Was du heute kannst besorgen

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Schattenseiten dieser Weisheit muss die Hauptfigur in Caspar Pfaundlers Drama „Gehen am Strand“ am eigenen Leib erfahren. Das Nichterledigen einer Pflicht wird hier zum Alptraum, der in die totale Isolation führt. Ein Film über die dunkle Macht der Einsamkeit.

Man nennt es Prokrastination, das Verhalten, eine als notwendig aber unangenehm empfundene Aufgabe immer wieder zu verschieben, anstatt sie zu erledigen. In „Gehen am Strand“ leidet die Wiener Studentin Anja unter diesem Zustand. Sie kommt mit der Fertigstellung ihrer Diplomarbeit einfach nicht voran, eine veritable Sackgasse hat sich aufgetan. Zuerst manifestiert sich Anjas Antriebslosigkeit in hinlänglich bekannten Ersatzhandlungen: staubsaugen, Schuhe putzen, spazieren gehen - alles wird eher gemacht, als sich an den Schreibtisch zu setzen.

Lähmung auf allen Ebenen
Bald stellt sich heraus, dass die 27-Jährige nicht nur beim Studieren wie gelähmt ist. Sie schafft es nicht einmal, ihre Handyrechnung zu bezahlen, weshalb sie von der Außenwelt zunehmend abgeschnitten ist. Man erreicht sie nur am Festnetz und das auch nur, wenn sie es schafft, den Hörer abzunehmen.

Anja (Elisabeth Umlauft) rutscht immer weiter in die Isolation.

Analog zu ihrem beruflichen Stillstand kommt sie auch in der Beziehung zu ihrem Freund Paul nicht voran. Sie vermisst ihn, wenn er nicht da ist, obwohl gemeinsames Eisessen das Höchste der Gefühle ist, wenn sie zusammen sind. Wahre Intimität kommt da nicht auf. Nicht einmal ihrer Therapeutin kann sich Anja anvertrauen. Das Einzige, was sie ihr sagen kann, ist: „Ich möchte, dass mir jemand eine Pille verschreibt, und alles ist gut, alles läuft wie geschmiert.“

Sex macht leer
Doch Heilung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, Anja verfällt immer mehr in Lethargie, ein greifbarer Grund dafür ist nicht vorhanden. Nur während der Streifzüge durch das spätsommerliche Wien und bei ihren regelmäßigen Konditoreibesuchen kommt sie in Kontakt mit der Außenwelt. Sie hat Sex mit einem Fremden, dessen Namen sie nicht wissen will, und fühlt sich danach noch leerer als zuvor.

Als ihre Oma stirbt, entschwindet damit die einzige Person, die ihr je wirklich nahegestanden ist. Anja wird aus ihrem Stillstand gerissen und muss zum Begräbnis nach Holland fliegen. Dort trifft sie ihren seit Jahren abwesenden Vater, mit dem sie es endlich schafft, ein tiefer gehendes Gespräch zu führen. Aber auch das endet mit Abwehr, Distanzierung, Resignation. Auf den Rat des Vaters, das Leben doch ein bisschen lockerer zu nehmen, kann Anja nur mit einem Kopfschütteln antworten.

Bei ihrem Vater kann Anja für einen kurzen Moment Nähe zulassen.

Spaziergänge am Strand
Anja flüchtet ans Meer und stellt sich ihrer Einsamkeit. Während der Spaziergänge am Strand spürt sie sich erstmals wieder selbst und schöpft daraus den Willen, ihr Leben zurück in geordnete Bahnen zu lenken. Die Realität zu Hause holt sie allerdings viel zu schnell ein, und bald geht es nicht mehr nur um die (Nicht-)Erfüllung von Pflichten, sondern um die schmerzhafte Erkenntnis der eigenen Dysfunktionalität auf allen Ebenen. Alles wird zur Last: die Einladung der netten Nachbarin, die Geräusche am Nebentisch, die Besuche von Paul. Anja läuft Gefahr, aus dieser umfassenden Depression aus eigener Kraft nicht mehr herauszukommen.

Alptraum vs. Erlösung
Regisseur Pfaundler (geb. 1959 in Innsbruck) präsentiert mit „Gehen am Strand“ eine bewegende Charakterstudie, die gerade deshalb so erschüttert, weil man sich zu Beginn so sehr mit der Protagonistin identifizieren kann. Wer kennt nicht die Tage, an denen man lieber das Bad putzt oder ganz dringend das Fahrrad reparieren muss, statt sich an die längst fällige Steuererklärung zu setzen. Was in einem gewissen Rahmen ganz normal ist, wird für Pfaundlers Protagonistin im Verlauf des Films immer mehr zum Alptraum, aus dem es kein Erwachen zu geben scheint.

Mit perfekt sitzenden Bildkompositionen umrahmt der Regisseur die Verzweiflung, die mit der Selbstisolation einhergeht. Manche Szenen (langsam verfaulendes Obst als Indikator, wie die ungenützte Zeit verstreicht, und zusammengekauertes Schlafen unter dem Tisch) erinnern an „Ekel“ (1965) von Roman Polanski, wo Catherine Deneuve in zunehmender Isolation versinkt und schließlich dem Wahnsinn verfällt.

So weit kommt es in Pfaundlers Drama nicht, denn der starke Wunsch, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ohne fremde Erwartungen erfüllen zu müssen, wird am Ende der Rettungsanker der Heldin sein. „Gehen am Strand“ ist ein verstörender, beeindruckender Film, nach dem man nicht mehr so entspannt in der Badewanne liegen wird, während man eigentlich die Ernte einbringen sollte.

Sonia Neufeld, ORF.at


Diagonale startet mit tollen Debüts

Ein Bärenringer trifft auf Philipp Hochmair, von Schlagerstars, neurotischen Studentinnen und Möchtegern-Astronauten. Ein abwechslungsreiches und hochspannendes Programm am ersten Festivaltag.
Nachdem die Diagonale in Graz Dienstagabend mit Ulrich Seidls "Paradies: Hoffnung", dem letzten Teil seiner "Paradies"-Trilogie, und der Verleihung des großen Diagonale Schauspielpreises an Maria Hofstätter eröffnet wurde, geht es am Mittwoch mit den Feierlichkeiten zu Ehren des österreichischen Films unverzagt weiter. Schon die 11h-Vorstellung ist ausverkauft und der erste Festival-Tag zeichnet sich durch ein unglaublich abwechslungsreiches und hochspannendes Programm junger, österreichischer Filmemacher aus.

"Gehen am Strand" von Caspar Pfaundler ist die erste Uraufführung an diesem Mittwoch. Anja prokrastiniert in ihrer Wohnung vor sich her und versucht verzweifelt mit ihrer Diplomarbeit voranzukommen. Anfangs entdeckt man an der Ende-20-jährigen noch liebevoll neurotische Seiten, wenn sie verträumt in fremder Leute Fenster blickt und sich von der Stimmung Unbekannter einen kurzen Moment lang anstecken lässt. Doch Anja wirkt fast wie ein Alien im spätsommerlichen Wien; nicht nur weil ihr die Interaktion mit ihrer Umwelt nicht so recht gelingen mag, sondern auch, weil sie völlig abgeschottet ohne Handy und Internet (sie hat die Rechnungen nicht bezahlt) in den Tag hineinlebt. Das bietet zwar Platz für die kleinen Freuden des Lebens - zum Beispiel wie erfreulich die Bewegungen eines Puddings sein können - aber auch für jede Menge Leere.

Dann stirbt plötzlich ihre geliebte Großmutter. Anja muss nach Holland reisen und sieht sich mit ihrer gesamten Familie konfrontiert. Anja erkennt, dass ihr etwas Essenzielles fehlt, das Selbstverständnis, einfach sein zu dürfen. Elisabeth Umlauft zeichnet in ihrer ersten Filmrolle das Porträt einer zutiefst einsamen Frau in einer derartigen Farbenpracht, dass einem das Popcorn im Hals stecken bleibt. Pfaundlers Darsteller durften das Drehbuch übrigens vorab nicht lesen. Die Szenen wurden immer erst kurz vor dem Dreh besprochen und dann improvisiert. Diese Art zu arbeiten hat nur einen chronologischen Dreh zugelassen. Ein Luxus, den man sich sonst eher selten leistet.

"Gehen am Strand" von Caspar Pfaundler. Mit Elisabeth Umlauft, Harry Lampl, Claudia Martini, Karl Fischer u.a. Spielfilm, AT 2013, 112 min, OmeU
(KURIER.at, 14.03.2013)




Verwaiste Seelen und eine Rarität mit Radiohead

Diagonale, Tag 1: Schaffenskrisen, Monsterrollen und ein Musikvideo, das es nie gegeben hat.

GRAZ. Studentin Anja (großartige Elisabeth Umlauft) steckt fest: im Finale ihrer Diplomarbeit, in unbeglichenen Rechnungen und in der Liebe. Aus Antriebslosigkeit wird soziale Isolation. Caspar Pfaundlers Film "Gehen am Strand", bei der Diagonale uraufgeführt, begleitet die Verwaisung dieser Seele in kühlen, einsiedlerischen Bildern und Horror-Todesvisionen. Die einzige Möglichkeit zu kommunizieren stellen - witzige Idee - Telefonzellen, Festnetzapparate und Postkarten dar. Eine Reise ans Meer holt die Verlorene ein Stück zurück in die Realität. Ein sensibler Film über ein Dilemma, das vielen bekannt sein dürfte. Freitag, 18 Uhr, Annenhof 6.

(kleinezeitung.at, 31.3.2013)



FESTIVALIER!

Filmjournalist Matthias Greuling bloggt von den wichtigsten Filmfestivals der Welt
Treu bleibt sich auch Caspar Pfaundler. Er zeigt in „Gehen am Strand“ die Befindlichkeit der Studentin Anja (einnehmend: Elisabeth Umlauft), die mit der Finalisierung ihrer Diplomarbeit hadert und sich zunehmend sozial isoliert. Die Isolation erhält lebensbedrohlichen Charakter, eine Reise ans Meer bietet Anja die Chance auf eine Rückkehr ins „normale“ Leben. Pfaundler ist gewohnt sensibel im Vortrag seiner simplen Geschichte. Wie er auch schon in seinem letzten Film „Schottentor“ mit größtmöglicher Präzision versucht hat, existenzielle Nöte einzufangen, gelingt ihm das auch hier vortrefflich.

(Wiener Zeitung, Matthias Greuling)


Ein Roadmovie durch die Sinnkrise

"Gehen am Strand" ist ein Roadmovie durch eine Sinnkrise.
 Es gibt Filme, die das Kino brauchen. Einer davon ist "Gehen am Strand" von Caspar Pfaundler. Sein Film braucht einen verdunkelten Ort, in dem man ausharrt, bis das Saallicht wieder angeht.
Im Mittelpunkt der Nicht-Handlung steht Anja. Sie ist Ende Zwanzig und fast fertig mit dem Studium, kann sich aber nicht zum Schreiben der Diplomarbeit durchringen. Ähnlich unentschlossen ist sie in ihren Beziehungen. Im Schwebezustand zwischen Depression und Rebellion lebt sie ohne Handy und Internet. Als ihre Großmutter in Den Haag stirbt, fährt Anja zum Begräbnis und trifft dort ihren Vater, der sie und ihre Mutter verlassen hatte, als sie noch ein Kind war.

Beim Gehen am Strand stellt sich Anja Fragen, deren Beantwortung sie aus der Gefangenschaft ihres Gemütszustands befreien könnten: Wer bin ich wirklich und wie unabhängig sind meine Entscheidungen? Antworten auf diese Fragen gibt es keine – weder für die Protagonistin noch für die Zuschauer. "Gehen am Strand" ist ein Roadmovie durch eine Sinnkrise – und nach "Lost & Found" und "Schottentor" - der Abschluss von Caspar Pfaundlers "Trilogie des Verlorenseins".
Pfaundler erzählt die Geschichte eines inneren Widerstands fast ohne Dialoge und in langsamen, einfachen Bildern. Die Stille des Films gibt den Zuschauern Raum, die Handlung mit eigenen inneren Monologen zu füllen. Kino als Therapiesitzung, die viel Geduld erfordert.

(Kurier 30.4., Gabriele Flossmann)